Warum Lopez entlassen wurde: Stoffwechselkrankheit

Alonso Lopez
Als SPEEDWEEK.com am 5. Januar 2021 über den Fahrerwechsel beim Sterilgarda Max Racing Team berichtete, wollten die Teambesitzer Max Biaggi und Peter Öttl keinen Kommentar abgeben. Es wurde ein Geheimnis daraus gemacht, warum der Vertrag mit Alonso Lopez aufgelöst und der WM-23. auf der Factory Husqvarna 2021 durch den jungen Adrian Fernandez (er ist der jüngere Bruder des Moto3-WM-Vierten Raúl Fernandez) ersetzt wird, der übrigens von Hannes Kinigadner gemanagt wird.
In Spanien wird kolportiert, der 19-jährige Lopez sei entlassen worden, weil ein Sponsor auf einen Fahrertausch beharrte. Aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit, auch wenn Lopez mit dieser Darstellung bei einigen Rennfahrerkollegen Mitleid erregte.
Der sechsfache Weltmeister Max Biaggi äußerte sich vor einer Woche auf Anfrage von SPEEDWEEK.com etwas kryptisch zum überraschenden Fahrerwechsel. «Die Entscheidung ist getroffen worden, weil es handfeste Gründe für diese personelle Veränderung gibt», hielt der Römer fest. «Du wirst sie schon herausfinden.»
SPEEDWEEK.com stieß bei den Nachforschungen bei den Beteiligten zuerst auf eine Mauer des Schweigens; manche Insider kannten die Ursache der Entscheidung wirklich nicht.
Wir wussten aber, dass sich schon die Vertragsunterzeichnung des Madrilenen im Herbst wochenlang verzögert hatte. Teammanager Peter Öttl klagte gleichzeitig immer wieder über die schwankende Performance von Lopez und seine häufigen Stürze.
Dann fiel uns ein: Alonso hat am 26. Juli in Jerez das zweite Rennen aus mysteriösen Gründen verpasst.
Schon damals gab das Teammanagement nur ausweichende Antworten, wenn ein Journalist neugierig nach der Ursache fragte.
Denn der Husqvarna-Pilot war am Freitag im ersten Training auf Platz 25 gelandet, und obwohl der Spanier nicht gestürzt war, nahm er kurioserweise an den restlichen Trainings, am Quali, am Warm-up und am WM-Lauf nicht teil. Der FIM Medical Director erklärte ihn ohne Angabe von Gründen für «Unfit to Race». Beim ersten Jerez-GP war Alonso Lopez an 14. Stelle gelandet, beim Katar-GP hatte er bei seinem Husky-Renndebüt immerhin den 13. Platz erreicht.
Inzwischen scheint klar, warum die Gründe für den abrupten Fahrerwechsel und für das Schwänzen des Andalusien-GP im Juli bisher unter den Tisch gekehrt wurden.
Die Recherchen von SPEEDWEEK.com haben ans Tageslicht gebracht: Der bedauernswerte Alonso Lopez, zweifellos ein talentierter Moto3-Rennfahrer, wurde vom Sterilgarda Team offenbar aus gesundheitlichen Gründen suspendiert. Denn es existiert ein ärztliches Attest, das bei dem Moto3-Piloten einen Harnstoffzyklusdefekt diagnostiziert. So eine Stoffwechselerkrankung kann mit einer Spezialdiät unter Kontrolle gehalten werden. Sie kann aber bei besonderen Belastungen zu einer Hyperammonämie führen, einem krankhaft erhöhten Ammoniakgehalt im Blut, dann sinkt die Leistungsfähigkeit.
Diese Erkrankung scheint beim Andalusien-GP bei ca. 40 Grad Hitze zu einem Zusammenbruch geführt haben.
Die Diagnose von Störungen im Harnstoffzyklus gilt als Erbkrankheit und wird aufgrund der Aminosäureprofile erstellt. Ein genetischer Test kann die Diagnose bestätigen.
Zur Therapie wird eine proteinarme Ernährung empfohlen, dazu eventuell eine Arginin- oder Citrullin-Supplementierung oder eine medikamentöse Behandlung mit Natriumphenylbutyrat.
Aus dem Umfeld von Alonso ist zu hören, Max Biaggi habe schon vor der Vertragsunterzeichnung vor einem Jahr von den medizinischen Problemen von Alonso Lopez gewusst, der im Dezember ausgerechnet während eines Klinikaufenthalts (wegen einer Schulter-OP) von seinem Rauswurf erfahren hat. Das Biaggi-Team habe damals behauptet, nicht das nötige Geld für zwei Fahrer zu haben. Deshalb habe es einen Piloten engagiert, der 300.000 Euro mitbringt.
Vater Paco Lopez will jetzt keine Polemik aufkommen lassen. Er muss die Teamentscheidung hinnehmen und sich darauf konzentrieren, für den Junior ein Motorrad für 2021 zu finden, ohne eine Mitgift bezahlen zu müssen. Wie es mit der Karriere von Alonso Lopez weitergeht, ist fraglich. Inzwischen sind alle Plätze bei den Moto3-GP-Teams besetzt. Eine Rückkehr in die Junioren-WM erscheint möglich. Aber auch ein Rücktritt kann nicht ausgeschlossen werden.
Das Sterilgarda-Team und Husqvarna haben heute keinen Grund für den Fahrerwechsel angegeben. Die Stoffwechselerkrankung des Husqvarna-Fahrers wurde nicht als Entlassungsgrund vorgeschoben. Kein Wunder: Denn Lopez bekam nach dem Jerez-GP von den Ärzten grünes Licht für die Teilnahme an allen weiteren zwölf Grand Prix.
Aber Teammanager Peter Öttl gilt als gewissenhafter Statistiker. Und das Team sah in den Dorna-Aufzeichnungen die 15 Saisonstürze von Lopez und dazu nicht weniger als neun Penaltys der Race Direction.